Securius

 

 Securius

 „Der Ballonfahrer Karl Securius und seine Bruchlandung in den Mörderbergen“

 

Die „Mörderberge“ kennen gewiss viele Einheimische, aber ist Ihnen auch der „Securius Berg“ in den Mörderbergen bekannt? Wir blätterten in den Aufzeichnungen des Karl Securius und fanden folgende Geschichte.

Zur Information: Karl Securius (1846 - 1890) war ein passionierter Ballonfahrer und Berufsluftschiffer, der in seinem Leben insgesamt 417 Ballonaufstiege genoss. Die Landung dieser einen Fahrt, hat er jedoch nie vergessen.

 

Es war der 29. September 1881 als Karl Securius mit dem Ballon „Deutsches Reich“ vom „Volksgarten“ in Berlin aus startete. „Bei bedecktem Himmel und lebhaftem Wind stieg ich gegen Abend allein auf und erreichte eine bedeutende Höhe, aus welcher ich so leicht nicht herabkommen konnte, wenn ich nicht das Ventil ziehen wollte. Ich hielt es nicht für ratsam, in erreichter Höhe dasselbe zu öffnen, und so überraschte mich die Dunkelheit. Uhr und Barometer konnte ich nicht mehr ablesen, unter mir kamen ab und zu erleuchtete Ortschaften zum Vorschein, dann wurde wieder Alles dunkel. Mit einem furchtbaren Ruck schlug nach ca. 2 ½ stündiger Fahrt die Gondel auf dem Joachimsthaler Wald auf und ich wurde in meinem Korb im Stockdunkeln über die Zweige und Baumkronen geschleudert. Da hieß es festhalten und die fünf Sinne zusammennehmen. Mit der einen Hand hielt ich mit aller Kraft einen Zweig fest, mit der anderen warf ich den Anker in die Bäume und schlang das Tau um einen dicken Ast. Trotzdem der Ballon heftig schlug, hatte ich doch einige Ruhe und kalkulierte was zu machen sei. Der Ballast war zu Ende und an ein abermaliges Aufsteigen deswegen nicht zu denken. Ich beschloss, den Ballon und die Gondel fester anzubinden, an einem Taue herabzusteigen und den Ballon dann möglichst vorsichtig herabzulassen und zu entleeren. Nachdem ich Alles festgemacht hatte, so gut es in der Dunkelheit gehen wollte, kletterte ich aus der Gondel, nahm das Fangtau, die Weinflasche und das Nothorn zu mir und versuchte herabzuklettern. Ich saß auf einem Ast, eben genannte Sachen an meinem Ledergürtel befestigt habend, damit ich frei Hände hatte. Bei einer Bewegung brach der Ast mit mir durch (ich wiege 2 Zentner) und stürzte in die Tiefe (am anderen Morgen sah ich, dass es wohl ca. 10 Fuß gewesen waren). Mein guter Genius ließ mich auf einen anderen sehr starken Ast zu reiten kommen; ich verstauchte mir die rechte Hand vollständig, saß nun da und band mich fest. Das Fangtau, an welches ich die Flasche gebunden hatte, ließ ich herab, fand aber keinen Grund. Eine schöne Bescherung, wenn man weiß dass das Tau 50 Fuß lang ist und man die Nacht vor sich hat. Es blieb mir nun nichts Anderes übrig, als vorläufig abzuwarten, bis mein Nothorn und lautes Rufen mir Hilfe bringen würden. Wohl eine Stunde verging und alles Schreien und Blasen hatte keinen Erfolg gehabt. Die herabhängenden Beine und Füße starben mir ab, die Hand schmerzte sehr, brennender Durst stellte sich ein, und ich wartete noch eine Stunde. Wie lang mir dieselbe in meiner unbequemen Lage wurde, kann ich gar nicht sagen. Dabei war es empfindlich kalt geworden und ein Frostschauer kam über mich. Im Vorwort erwähnte ich, streng bei der Wahrheit zu bleiben, ich tue dieses auch, trotzdem das Folgende etwas fabelhaft klingt, so ist es doch faktische Tatsache. Endlich wurden mir meine Rufe aus weiter Ferne beantwortet. Ich blies in lange anhaltenden Tönen in mein Horn, klagend gab der Wald den Widerhall davon zurück. Nach längerer Zeit wurden meine Rufe: „Hierher, hierher“ dahin beantwortet: „Wo steckst Du? Wer bist Du?“ Die Antwort: „Ich bin ein Luftschiffer und sitze mit meinem Ballon hier oben auf dem Wald“ schien der großen Distanz wegen nicht gehört oder verstanden zu werden. Der unter stehende Mensch rief mit lauter Stimme: „Alle guten Geister loben Gott, ihren Herrn!“ und als ich ihm sagte und herab schrie, dass ich ein guter Geist, ein Mensch von Fleisch und Blut sei, rief er: „So komm’ doch herab!“ Immer wiederholte er: „Komm herab!“ trotzdem ich mich bemühte, ihm mit kräftiger Stimme zuzurufen, dass ich nicht könne, dass es zu hoch sei.   Er rief von Teufel, Allerheiligen, bis mir fast die Geduld riß. Schließlich schrie ich ihm zu, wenn er nur Leute herbeischaffe, solle er 10 Mark Belohnung erhalten. Das Wort „Leute“, also nicht mehr das Alleinsein ertragen zu müssen, wohl auch die versprochenen 10 Mark schienen auf den Menschen Eindruck zu machen, indem er bejahende Antwort gab. Lange rief er noch: „Blase mal, blase mal!“ als er sich entfernt, vielleicht glaubend, der Geist käme nachgeschlichen. Wie dem auch sei, man versetze sich in des Bäuerleins Lage: mitten im Wald allein bei so stockfinsterer Nacht eine Stimme von den Baumkronen herab zu hören, von dem Unbekannten selbst nichts sehen zu können, dabei mit einer abergläubischen Natur veranlagt – es lässt sich entschuldigen. Hilfe nahte bald und ich hörte, wie jemand kräftig Ruhe gebot und zu mir heraufrief: „Wer sind Sie? Was wollen Sie?“ Das Wort „Sie“ und nicht mit den Worten „Du“ und „Wesen“ angeredet, wie es der Vorgänger gebraucht hatte, ließen mich erkennen, dass sich unten jetzt der rechte Mann befand. Dem war in der Tat so; wir verständigten uns, wenn auch schwer und mit schreiender Stimme. Der Leiter der Rettungsmannschaften ließ mehrere Feuer anzünden und ich konnte erkennen, wie hoch oben ich saß. Der Name des wackeren Mannes war Krüger, seines Zeichens ein Brunnenmacher aus Joachimsthal; er ließ ein Tau herbeischaffen und forderte mich auf, meine Leine doppelt zu machen, da sie einfach nicht reichte. Mit dem Munde und der gesunden Hand trottelte (langsam) ich meine Leine auf, was nach unsäglicher Mühe auch gelang, band beide Teile aneinander und – Glück auf, die Länge reichte. Eins der Taue wurde angebunden und langsam von mir hochgezogen. Ich sollte nun an diesem Tau herabrutschen. Da es mir aber mit einer Hand nicht möglich war, zumal ich kein Turner bin, so ließ Herr Krüger ein zweites Tau holen, splißte dasselbe zusammen, ich schlug das letztere über den Ast, band mich an das Ende, schwang mich rechts hinüber und zwischen Himmel und Erde schwebte ich Nachts um 12 Uhr. Langsam ließen mich die Männer herunter und unten angekommen leuchtete man mir ins Gesicht mit den Laternen, als wäre ich ein Wundertier. Herr Krüger nebst angesammelten Leuten  aus dem Flecken begleiteten mich in den Gasthof in Joachimsthal, wo der anwesende Gendarm die Polizeistunde verlängerte, und wir bis 2 Uhr zusammensaßen. Ein Schneider flickte mir die zerrissenen Kleider zusammen und am anderen Morgen wurde der Ballon herab geholt und geborgen. Er hatte sich auf die Zweige gelegt und war ab und zu beschädigt. Nachdem ich mich von den braven Leuten verabschiedet, traf ich Montag Abends in Berlin ein, wo man meinetwegen schon sehr in Sorge gewesen war.“

 

 

Heimatverein Joachimsthal

AG „Geschichte und Legenden“