Die Weiße Frau am Werbellinsee

Dampfer auf dem Werbellinsee

 

Holzsteg am Jägerberg

 

Farbspiele des Werbellinsees

 

Unsere Region ist reich an Sagen, die uns einen Eindruck vom früheren Leben, von den Ängsten der Menschen vor Unerklärlichem und manchmal auch von der damaligen Landschaftsgestalt vermitteln.
Mit am bekanntesten um Joachimsthal ist wohl die Sage von der versunkenen Stadt im Werbellinsee,

die Werbellow – Sage. In engem Zusammenhang damit scheint die Geschichte von der Weißen Frau zu stehen. Manchmal ist sie Teil der Werbellow-Sage, manchmal wird sie als eigenständige Mär erzählt.

In einem „Führer durch die Schorfheide“ von Hans Braun aus den 1930-er Jahren findet sich die nachfolgende Fassung: „Alle hundert Jahre einmal kommt eine weiße Frau an die Oberfläche des Werbellinsees". Wer ihr begegnet, dem bringt sie Unheil.

Einst fuhr ein Fischer beim Mondschein in der Johannesnacht (dem Volksglauben nach ist dies die  Nacht zum 24. Juni, dem Geburtstag Johannes des Täufers.) über den See. Am Ufer des Sees, dort, wo heute die Adamswiese liegt (dies ist der Badestrand vom Kinderland), sah er eine weiße Gestalt stehen. Der Fischer wurde neugierig und ruderte seinen Kahn zu jener Stelle hin. Kaum hatte er das Ufer erreicht, da rief ihm die weiße Frau zu: „Du kommst gerade zur rechten Zeit; denn heute ist Mondwechsel. Und da du ein Sonntagskind bist, kannst du mich erlösen. Geh schnell zu dieser dicken Eiche dort oben auf dem Berge und grabe an der Ostseite ein Loch. Du wirst dort einen riesigen Schatz finden. Den nimm stillschweigend mit in dein Haus und verbirg ihn dort! Du wirst dann niemals Not leiden!“  Dem Fischer war bei diesen Worten ganz unheimlich geworden. Ein Grausen packte ihn, und ohne sich umzusehen, lief er davon, so schnell ihn seine Beine zu tragen vermochten. Hinter sich hörte er nur noch ein jämmerliches Schreien: „Weh mir! Nun muss ich noch hundert Jahre auf meine Erlösung warten!“

Am anderen Tage zog  der Fischer seine Netze durch den See. Plötzlich, als er mitten auf dem See war, fing der Kahn sich zu drehen an. Zuerst langsam, dann schnell und immer schneller, und dann versank der Kahn mit dem Fischer plötzlich im Strudel.  Am Ufer aber standen Leute, die dem wunderlichen Schauspiel erschreckt zusahen. Gerade als der Kahn im Strudel versank, sahen sie, wie sich ein weißer Arm aus dem Wasser streckte und den Fischer in die Tiefe zog. Dann war alles wieder still wie zuvor. Kahn und Fischer aber sah niemand wieder.

Hundert Jahre später erschien die weiße Frau wieder. Ein Mann ging zur Vollmondnacht am Ufer entlang. Schmal ist der Pfad, denn die Berge treten bis fast ans Ufer heran. Baumwurzeln erschweren das Gehen. Nur langsam kommt der nächtliche Wanderer vorwärts. Da – was ist das? Eine weiße Gestalt steht plötzlich zwischen den Buchenstämmen und spricht: „Wanderer, folge mir in mein unterirdisches Schloss! Es soll dein Glück sein. Aber du musst schweigen, solange du im Schlosse bist, ganz gleich, was du auch sehen wirst!“

Wie gebannt von den Worten der weißen Frau folgte der Wanderer ihren Schritten. Die weiße Frau schlug mit einem Buchenzweig dreimal auf einen riesigen Feldstein. Da drehte sich der Stein wie eine Tür in den Angeln, und ein langer Gang wurde sichtbar. Beide gingen hinein und kamen in einen mächtigen Saal, dessen Wände nur so funkelten. Überall sah der Wanderer prächtige Edelsteine glitzern. Sein Staunen kannte keine Grenzen. Aber fest verschloss er seinen Mund. Plötzlich kamen zwei große Hunde auf ihn zu, schwarz wie die Nacht, mit glühenden Augen und feurigem Atem. Da überkam dem Wanderer eine ungeheure Angst und zitternd rief er: „Jungfrau, sie beißen!“ Im selben Augenblick aber war alle Herrlichkeit verschwunden, und der noch immer zitternde Wanderer stand an der gleichen Stelle, wo ihm die weiße Frau zuvor erschienen war. Wie aus weiter Ferne hörte er nur ein wehmütiges Klagen: „Nun muss ich wieder hundert Jahre warten!“

 

Dem Wanderer aber waren die Sinne verwirrt und nach drei Tagen starb er.“

 

Heimatverein Joachimsthal

AG „Geschichte und Legenden“